Auch bei der 35. LDK in Chemnitz haben sich während der samstäglichen Antragsdiskussion eine Vielzahl von Schülerinnen und Schülern zu Wort gemeldet, um unter anderem über den Leitantrag des Landesschülerrates abzustimmen. Eine besonders angeregte Diskussion ergab sich bei der Abstimmung über die Forderung des aktiven Wahlrechts ab 16 Jahren.
Vorreiter dieses Wahlkonzepts in Deutschland war Niedersachsen, welches 1996 als erstes Bundesland das Wahlalter bei Kommunalwahlen auf 16 herabsenkte. Bis 2012 haben sich vier weitere Bundesländer (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig Holstein) Niedersachsen angeschlossen. Österreich hingegen hat seit 2007 das Wahlrecht sowohl bei Kommunalwahlen, als auch bei Landes-, Bundes- und sogar bei Europawahlen auf 16 herabgesetzt.
In Sachsen haben einige Probewahlen an verschiedensten Schulen sehr unterschiedliche, fast gegenteilige Eindrücke bei den Mitgliedern des Landesschülerrates hinterlassen. Ist ein Schüler/ eine Schülerin von 16 Jahren interessiert und mental reif genug, um an Wahlen partizipieren zu können? Knapp, aber mehrheitlich bejahten die Landesdelegierten diese Frage.
Durch das Wahlrecht ab 18 Jahren wird einem Großteil der politisch interessierten Schüler_innen die Mitbestimmungsmöglichkeit auf Länderebene verwehrt. Schülerinnen und Schüler sind somit unter den Wahlberechtigten unterrepräsentiert und deshalb deren Interessen eher mäßig vertreten. Zudem sehe ich das Alter nicht als überzeugenden Indikator für mentale Reife oder Wirkungsbereitschaft an. In ganz Deutschland sind wir mit sinkender Wahlbeteiligung und Politikverdrossenheit konfrontiert. Dieses Desinteresse zieht sich jedoch durch sämtliche Altersklassen unserer Bevölkerung.
Nicht umsonst sprechen wir von einem Wahlrecht, welches weiterhin jedem Menschen, welcher sich nicht für institutionelle Politik interessiert und seine Mitbestimmungsmöglichkeit während einer Wahl nicht wahrnehmen möchte, den Freiraum lässt sich politisch nicht zu beteiligen. Warum aber sollte man die Partizipationsmöglichkeiten derjenigen einschränken, die sich auch schon unter 18 Jahren politisch engagieren, sich informiert genug fühlen, ihre Meinung auch dahingehend zu vertreten, dass sie ihre Stimme bei einer Wahl abgeben möchten? Desinteressierte Menschen müssen diese Möglichkeit nicht wahrnehmen, es liegt in ihrer persönlichen Verantwortlichkeit.
Bei einigen Landesdelegierten kamen Bedenken auf, dass Jugendliche voreilige Wahlentscheidungen treffen könnten oder einzelne Parteien auf Grund von Unkenntnis fehleinschätzen. Konkret: Dass beispielsweise die NPD gerade in Sachsen maßgeblich an Stimmen dazu gewinnen würde. Können wir nur einer wagen Sorge wegen Jugendlichen ab 16 Jahren die Fähigkeit und die Möglichkeit an Wahlen zu partizipieren, absprechen? Georg Heyn formuliere heute im Rahmen des letzten Punktes unseres Leitantrages „Mitbestimmung statt Mitwirkung“ ein beflügeltes Statement: „Wer nicht wagt, der kann auch nicht gewinnen“, dass sich auch perfekt auf diese Thematik übertragen lässt.
Zudem setzt sich der Landesschülerrat dafür ein, dass die Anzahl der Wochenstunden des Gk-/GRW-Unterrichts erhöht wird und somit auch politische Bildung, politisches Interesse und inhaltliche Diskussionen bezüglich der Parteienpolitik gefördert werden. Ich sehe ein politisches Wahlrecht ab 16 Jahren als Chance für jeden Einzelnen.
Es bleibt abzuwarten, ob durch diese, vom LSR beschlossenen Maßnahmen, den Schülerinnen und Schüler in Sachsen zukünftig wirklich die Chance für mehr und bessere politische Bildung in der Schule gewährleistet wird und ob man mit dem Wahlrecht ab 16 bald aktiver am politischen Leben partizipieren kann. Kinder-, Jugend- und Bildungspolitik darf nicht nur Politik für unsere Altersklasse sein, sondern auch mit uns.
Anja Klotzbücher, Beraterin des LandesSchülerRates Sachsens
Die Texte geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder und nicht die des LandesSchülerRates Sachsens.