Vor nun drei Wochen trafen sich die Landesschülervertretungen aus ganz Deutschland zur Bundesschülerkonferenz, um sich zum Thema Bildungsmobilität auszutauschen. Sachsen hat sich selbstverständlich ebenfalls beteiligt und Dorian mit Isa nach Rheinland-Pfalz geschickt.
Nachdem bei der Tagung ein Positionspapier verabschiedet wurde und wir uns intern an die Nachbereitung gemacht haben, kam die Frage auf, wie man unser Bildungssystem denn nun tatsächlich vereinheitlichen kann, um Chancengleichheit für alle Schüler zu gewährleisten. Damit meinen wir, dass zwar gleiche Möglichkeiten für jeden Schüler geschaffen werden sollen, jedoch weiterhin auf einer individuellen Förderung des Einzelnen klar das Primat liegen soll.
Die Bundesschülerkonferenz hat sich mit dem Problem auf nationaler Ebene auseinandergesetzt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Bestrebung zu nationalen Lösungen begrüßenswert ist, einige spezifische Probleme aber keiner Pauschallösung, sondern einer differenzierten Auseinandersetzung im Kleinen erfordern. Denn wenn Äußerungen wie „Ein sächsisches Abitur ist weit mehr wert, als ein Hamburger Abitur“ getätigt werden, bleibt oft die Frage des „Wieso?“ aus. Das Bestreben zur Bildungsvergleichbarkeit muss bereits innerhalb der Bundesländer, der Kreise, der Städte bis hin zu den Schulen selbst einsetzen.
Zum Verständnis ein Beispiel aus dem Kurssystem:
Angenommen ein Jahrgang hat 44 Schüler, die nun aufgrund der Begrenzungen zur Klassenstärke auf zwei Geschichtskurse verteilt werden. Kurs A befasst sich im ersten Halbjahr mit der Machtergreifung Hitlers, während Kurs B nationale Identitätsfindung behandelt. Jetzt kann man natürlich sagen, der Lehrer ist frei und solange er sich an seinen Lehrplan hält, steht es ihm frei, die Themenkomplexe in für ihn angemessener Weise zu ordnen. Das würde bedeuten, dass am Ende des Jahres Kurs A und Kurs B auf demselben Wissensstand sind und das ist doch genau das, was bewirkt werden soll. Wie kommt es nun, dass, obwohl die Verteilung der Schüler absolut zufällig war, der Punktedurchschnitt von Kurs A bei 11,5 und der von Kurs B bei 7,3 liegt? Jeder Lernende ist verschieden und passt nicht unbedingt zum Lehrstil des Lehrers, das steht außer Frage. Das würde allerdings keinen derart großen Unterschied ausmachen. Es stellt sich heraus, dass die Klausuren zu den jeweiligen Themenkomplexen in Kurs A und Kurs B unterschiedlichen Inhalts, Umfangs und Anforderungsniveaus waren, bei Kurs B waren die LK’s nicht angekündigt und Lehrer B hat bei Vorträgen einen weitaus strengeren Bewertungsmaßstab als Lehrer A. Ist das also noch vergleichbar? Letztlich schreiben beide Kurse dieselbe Abiturprüfung und wenn dann der eine Kurs schlechter vorbereitet ist als der andere und zusätzlich die Vornoten schlechter ausfallen, entsteht doch ein nicht zu vernachlässigendes Ungleichgewicht. Dieses schulinterne Beispiel lässt sich auch auf den Bewertungsmaßstab der Realschule (96%: Note 1, 80%: Note 2, 60%: Note 3) im Vergleich zum Punktesystem im Abitur (85%: Note 1, 70% Note 2, 55%: Note 3) übertragen. Für die gleiche Bewertung muss der Schüler also am Gymnasium im Schnitt weniger vom vermittelten Stoff wissen. Natürliche gestaltet sich dieser am Gymnasium auch breiter gefächert und fordernder als an der Realschule – das wird gar nicht in Frage gestellt – dennoch spricht nichts dagegen, das Punktesystem auch an Realschulen einzuführen und die Prozentsätze anzugleichen.
Kommen wir nun zurück zur BSK mit der Forderung einer nationalen Lösung. Es sollte inzwischen jedem bekannt sein, dass die Länder offensichtlich unterschiedliche Anforderungen an die Lernenden stellen. Das fängt bei Lerninhalten an und geht über Stundenzahlen weiter bis zu den Bewertungsmaßstäben. Bildung ist nun einmal Ländersache und somit steht ihnen diese Freiheit offen, jedoch zum Leidwesen der Bildungsvergleichbarkeit. Es ist zumindest wünschenswert, dass die Länder beginnen, {zunehmend} an einem Strang zu ziehen. Das schließt eine bundesweite, schulartunabhängige Vereinheitlichung der Bewertungsmaßstäbe, Angleichung des Fächerangebots sowie – zumindest schrittweise – der Lehrinhalte ein.
Hier besteht also Handlungsbedarf. Und das Schöne ist, dass es nicht einmal aufwändig ist, etwas dagegen zu tun. Der Schlüssel liegt in der konstruktiven Kommunikation. Und wenn sich dieser Austausch nicht bloß auf die eigene Schule beschränkt, sondern auch stadt- und kreisweit erfolgt, haben wir einen bedeutenden Schritt in Richtung Bildungsvergleichbarkeit gemacht. Inwieweit eine bundesweite Angleichung erfolgt, steht in den Sternen. Abschließend ist erneut festzustellen, dass die Bestrebungen der Bundesschülerkonferenz zur nationalen Bildungsvergleichbarkeit großartig und unterstützenswert sind. Jedoch ist es manchmal empfehlenswert, Mängel im Fundament auszumerzen, bevor man sich an Fehler in der Gesamtkonstruktion macht.
Dorian Desler, Bundesdelegierter