Mutig genug? LandesSchülerRat blickt auf den Koalitionsvertrag

Mit der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages hat die zukünftige Landesregierung ihren Plan für die sächsische Bildung in den nächsten fünf Jahren vorgelegt. Wir haben bereits vor den Sommerferien sein Forderungspapier zur Landtagswahl mit den wichtigsten Forderungen für die Bildung in der neuen Wahlperiode herausgegeben.

»Mit unserem Forderungspapier zur Landtagswahl haben wir unter dem Titel ‚Bildung ist Ländersache‘ bereits die Relevanz der Landtagswahlen in Bezug auf die sächsische Bildung deutlich gemacht. Im nun vorliegenden Koalitionsvertrag sind einige als positiv zu bewertende Ziele enthalten. Jedoch muss man grundsätzlich anmerken, dass wir einige unserer zentralen Forderungen für die nächsten fünf Jahre leider gänzlich vermissen«, leitet unsere Vorsitzende Amy ein.

Für die Bildung sind die Menschen entscheidend, die die Schüler*innen im Lernprozess und im Schulalltag unterstützen. Wir begrüßen daher, dass sich die Koalitionäre der Notwendigkeit zusätzlicher Lehrkräfte bewusst sind. Dabei sind Bemühungen unerlässlich, die den Beruf der Lehrkraft attraktiver machen. Außerdem braucht es neben den Lehrkräften weiteres Fachpersonal, wie multiprofessionelle Teams.

»Wir begrüßen die Ansätze im Koalitionsvertrag zu multiprofessionellen Teams und dem Ausbau von Schulsozialarbeit. Zudem sehen wir in der Kapitalisierung des Lehrkräftearbeitsvermögens eine gute Übergangsmöglichkeit für die Schulen, fehlende Lehrkräfte ansatzweise auszugleichen. Es braucht dieses Fachpersonal. Die Schulsozialarbeit stellt einen wichtigen Baustein in diesen multiprofessionellen Teams dar. Bedauerlicherweise vermissen wir die Bemühungen, für alle sächsischen Schulen einen Rechtsanspruch auf Schulsozialarbeit zu schaffen«, erklärt Amy.

Zudem werden im Koalitionsvertrag verschiedene inhaltliche Schwerpunkte von schulischer Bildung, wie Medienbildung, berufliche Orientierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und politische Bildung gesetzt. Für die Stärkung dieser Themen treten wir bereits seit Längerem ein.

»BNE und politische Bildung müssen fächerübergreifend als Querschnittsthema unterrichtet werden, um die gesellschaftliche Relevanz zu unterstreichen. Auf solche gesellschaftlichen Themen muss ein zusätzlicher Fokus auf schulische Bildung gelegt werden. Um in diesen Querschnittsthemen eine fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen, benötigen wir zusätzlich eine verbesserte Medienbildung. Im Koalitionsvertrag lassen sich dazu Bemühungen erkennen, die wir sehr unterstützen. Neben den Kompetenzen, die Schule vermitteln muss, ist es unerlässlich, Schüler*innen eine praxisnahe berufliche Orientierung zu ermöglichen. Dafür ist eine zunehmende Anzahl von Praktika für Schüler*innen eine wichtige Unterstützung bei der Berufswahl. Die Bekenntnisse im Koalitionsvertrag dazu begrüßen wir«, erklärt Amy.

Maßnahmen zur Stärkung der eigenverantwortlichen Schule und die zunehmende Unterstützung von Regelschulen bei der Umsetzung von inklusiv zu beschulenden Schüler*innen sind für uns wichtige Schritte, die ebenfalls schon gefordert worden sind.

»Mit dem expliziten Festhalten an Kopfnoten enttäuschen uns die Koalitionäre. Der LSR Sachsen erhebt bereits seit Langem die Forderungen, die subjektiven Kopfnoten abzuschaffen, die ohnehin bereits auf Abschluss- und Oberstufenzeugnissen keinen Platz mehr haben. Wir werden hinsichtlich der neuen Landesregierung die Forderung der Abschaffung von Kopfnoten erneut bekräftigen«, erklärt Amy.

Bei der Stärkung der Schüler*innenvertretung hätten wir uns konkretere Maßnahmen, wie bspw. die Stärkung der Schulkonferenz, erhofft.

»Grundsätzlich stehen wir dem Plan, Schüler*innen und Eltern besser einzubinden, positiv gegenüber. Wir hätten uns aber bereits im Koalitionsvertrag konkrete Pläne erhofft. Die Stärkung der Schulkonferenz und von Basisrechten der Schüler*innen wären hier angebracht gewesen. Wir hoffen insbesondere bei diesem Thema mit dem Kultusministerium zusammenarbeiten zu können.«, fordert Amy.

Mit dem Bekenntnis zur Fortführung des Bildungstickets und zur sachsenweiten Ausweitung dieses in den Ferien wird ein weiterer Schritt in unsere ursprüngliche Forderung zu einem sachsenweiten Bildungsticket gemacht.

»Dass das Bildungsticket fortgeführt werden soll, ist erstmal eine gute Nachricht. Aber auch hier haben wir mehr gefordert. Es braucht ein sachsenweit kostenloses Bildungsticket, das den Schüler*innen über Verkehrsverbünde hinweg die Mobilität sichert und damit auch die Wahrnehmung von Bildungsangeboten ermöglicht, ohne, dass diese Möglichkeit durch die finanziellen Möglichkeiten des eigenen Haushaltes abhängen«, fordert Amy.

Zwei relevante Themen vermissen wir im Koalitionsvertrag gänzlich. Auf die Frage der mentalen Gesundheit von Schüler*innen wird im Koalitionsvertrag nicht eingegangen. Zudem wird das Problem des Rechtsextremismus im Zusammenhang mit schulischer Bildung nicht thematisiert. Diese beiden Themen sind aktuell und hätten im Koalitionsvertrag einen Platz finden müssen.

»Das aktuelle Bildungssystem stellt Schüler*innen immer wieder vor mentale Belastungen. Hohe Leistungsanforderungen, die zu Leistungsdruck führen, und fehlendes Fachpersonal gehören zur täglichen Realität der Schüler*innen. Es braucht die Thematisierung von mentaler Gesundheit als Querschnittsthema, um Schüler*innen u.a. Erkennungsmerkmale und Bewältigungsmethoden zu vermitteln. Dass dieses Thema keinen Platz im Koalitionsvertrag hat, zeigt, dass die Relevanz dessen immer noch nicht bei den Entscheidungsträger*innen angekommen ist«, so Amy.

Zur fehlenden Thematisierung von Rechtsextremismus ergänzt Amy: »Mit dem gemeinsamen Statement der Landesschüler*innenvertretungen der Ostbundesländer Anfang dieses Jahres hatte das Thema des Rechtsextremismus an Schulen bereits eine große mediale Aufmerksamkeit erlangt. Auch hier hätte es einen Platz im Koalitionsvertrag gebraucht. Die zukünftige Landesregierung und das sächsische Staatsministerium für Kultus brauchen einen Plan, wie sie dem zunehmenden Rechtsextremismus an den Schulen entgegentreten wollen. Das Thema wird in den nächsten fünf Jahren seine Relevanz behalten.«

»Der Koalitionsvertrag hätte im Bereich der Bildung durchaus mutiger sein können. In vielen Punkten sehen wir Schritte in die richtige Richtung, die weitreichender hätten sein müssen«, schließt Amy.