Mein Haustier, der Computer

Heute soll es mir um die Einbeziehung neuer Medien in die Unterrichtsgestaltung gehen, aber natürlich nicht nur. Im Unterricht werden Medien als Kommunikationsmittel bei Lehr- und Lernprozessen eingesetzt. Traditionelle Medien wie Bücher, Kopien, Folien und nicht zuletzt auch die Tafel sind aus dem Unterrichtsgeschehen schon seit geraumer Zeit nicht mehr wegzudenken. Es ist längst bewiesen: Dadurch, dass die akustischen Informationen, die der Lehrer oder die Lehrerin im Unterricht vermittelt, durch visuelle Reize unterstützt werden, ist die Behaltensleistung (d.h. die Erinnerungsleistung) der Schülerinnen und Schüler deutlich größer. Der Lerneffekt kann zusätzlich durch einen Eigenanteil erhöht werden, indem die vermittelten Inhalte abgeschrieben, oder besser noch eigenständig gestaltet festgehalten und/ oder (beispielsweise szenisch) umgesetzt werden. Eines ist nachweislich gültig: Je mehr Sinne bei der Vermittlung von Lerninhalten im Unterricht angesprochen werden und je mehr Sinneswahrnehmungen im Unterricht miteinander kombiniert werden, umso größer ist der Lerneffekt bei den Schülerinnen und Schülern.

Neue Medien – Wozu?

Durch technologische Weiterentwicklungen und die zunehmende Bedeutung, die das Internet für die heutige und die nachfolgenden Schüler_innengenerationen hat, bieten sich nun auch im Rahmen der Medien eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, den Unterricht methodisch und didaktisch zu bereichern sowie die Anzahl der angesprochenen Sinne zu erhöhen. Unter den Begriff der „Neuen Medien“ fallen unter anderem Smart- und Whiteboards, Foren im Internet, Chatrooms und natürlich auch das Internet selbst.

Viele Lehrer beschweren sich über die Smartphoneaffinität ihrer Schülerschaft und besonders über die Möglichkeiten des Betrugs, die dadurch entstehen. Natürlich konfrontieren diese Weiterentwicklungen sowohl Schüler als auch Lehrer mit neuen Herausforderungen, doch gilt es meiner Meinung nach, das neu gewonnene Potential zu nutzen. Anstatt dass – wie es leider größtenteils geschieht – die Lehrerinnen und Lehrer die Smartphones aus dem Unterricht verbannen, sie vielleicht vor der Stunde einsammeln oder jedes Mobiltelefon konfiszieren, welches offensichtlich nicht in der Tasche lag oder klingelte, sollte die Lehrkraft die entstandenen Möglichkeiten effektiv und bestmöglich in den Unterricht integrieren. Ich plädiere dafür, den Computer als Werkzeug zu begreifen. Im Unterricht können wir uns die reichlichen Vorzüge zu Nutzen machen: Das einheitliche und unkompliziert lesbare Schriftbild, die Möglichkeit längere Texte auch im Nachhinein umzustrukturieren und umzuformulieren, die Bereicherung des Unterrichts durch Lernprogramme sowie die Möglichkeit der Vernetzung mit dem Whiteboard. Auch eine schuleigene und einheitliche Emailadresse für alle Lehrerinnen und Lehrer zur Verbesserung der Kommunikation, die gerade in Zeiten von Unmengen an Abordnungen sehr erschwert ist, wäre zumindest ein winziger Anfang. Und selbst das ist nicht selbstverständlich! Warum müssen den 28 Französisch-Deutsch-Wörterbücher durch das Treppenhaus geschleppt werden, warum Recherche-Aufgaben zu Hause erledigt werden, wenn zumindest die Hälfte der Klasse ein solches Smartphone besitzt? Natürlich muss vermieden werden, dass diejenigen benachteiligt oder vielleicht sogar diskriminiert werden, die es ablehnen sich ein solches Gerät zuzulegen oder es aus finanziellen Gründen gar nicht können. Es wäre doch schon mal ein Anfang, das Urteil zur Lernmittelfreiheit um die grafischen Taschenrechner und zumindest zwei Klassensätze neuartigerer Laptops oder ähnlichem zu ergänzen …

Zudem ist auch die Errichtung eines online-verwalteten und für alle zugänglichen Lernmittelpools längst überfällig. Der Stoff könnte von den Schülerinnen und Schülern selbst er- und aufgearbeitet werden und danach im klasseninternen Wiki zur Verfügung gestellt werden. So könnten die Schülerinnen und Schüler sichergehen, dass sie sich die theoretischen Grundlagen des Lernstoffes fehlerfrei erarbeitet haben und alle für denselben Stoff verfügen. Außerdem wäre das Nachholen verpasster Unterrichtseinheiten deutlich reibungsloser zu meistern.

Medienkompetenz(en)

Natürlich dürfen auch kritische Stimmen und Aspekte nicht unterschlagen werden. Stefan Augenanger, Medienpädagoge an der Universität Mainz, trifft den Nagel auf den Kopf: »Schlechter Unterricht wird durch neue Medien nicht besser, Unterricht mit neuen Medien muss nicht zwangsläufig gut sein«. Sowohl die Lehrerinnen und Lehrer als auch die Schülerinnen und Schüler müssen mit den Gefahren und Risiken der Medienwelt sowie mit dem Umgang diverser technischer Errungenschaften vertraut gemacht werden. Dazu sind Fort- und Weiterbildungen der Lehrkräfte und eine Erweiterung und Umstrukturierung des Informatik-Lehrplans von Nöten. Beispielsweise müssen „Cybermobbing“ und „Datenschutz“ elementare Bestandteile des überarbeiteten Lehrplans sein, damit der Umgang mit neuen Medien im Unterricht so gewinnbringend und abwechslungsreich wie möglich gestaltet werden kann. Es ist von enormer Wichtigkeit, dass die Schülerinnen und Schüler schon früh lernen die ihnen zugänglichen Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Relevanz zu prüfen und die Fähigkeit zu entwickeln, mit dem Internet souverän und verantwortungsbewusst umzugehen. Und das ist durchaus realisierbar! Auf dieser Homepage findet ihr Berichte, Kommentare und Projekte von Schulen, die sich den fachdidaktischen und pädagogischen Mehrwert vom Einsatz neuer Medien im Unterricht zu Nutze machten: http://lernzellen.de/.

Der Unterricht im Wandlungsprozess

Bestenfalls geht mit dem Einsatz neuer Medien im Unterricht auch eine Veränderung der Ausrichtung des Unterrichts einher. Die neuen Medien könnten entscheidend dazu beitragen, dass die Leistungen in Arbeiten und Prüfungen nicht mehr nur noch Reproduktionsergebnisse sondern Ergebnisse einer eigenständigen Auseinandersetzung mit dem entsprechenden Lerngebiet ist, die von den Schülerinnen und Schülern zusätzlich Anwendungs- und Problemlösungskompetenzen erfordern. Neue Medien könnten in diesem Prozess eine nennenswerte Bereicherung darstellen. Didaktische Ziele wie die Information, Veranschaulichung, Vereinfachung, Problematisierung von bestimmten Inhalten oder die diesbezügliche Lernanregung könnten mithilfe der neuen Medien nicht nur mit geringerem Aufwand sondern auch viel interessanter und motivierender für die Schülerschaft erreicht werden. Natürlich ist die didaktische Gestaltung, die Einbindung in den Unterricht und die Zielgruppennähe für den Lernerfolg besonders entscheidend. Neue Medien können und sollen ja die Lehrkraft nicht ersetzen!

Um das Ganze nochmals zusammenzufassen: Traditionelle Lehr- und Lernmethoden können durch den Einsatz von neuen Medien aufgebrochen werden. Durch die Möglichkeiten, den Unterricht sowohl individualisierter als auch ansprechender zu gestalten wird nicht nur die Motivation des einzelnen Schülers oder der einzelnen Schülerin maßgeblich vergrößert sondern auch der Lerneffekt durch die Verknüpfung mehrerer Sinnesreize beim Lernen verbessert. Na also, gestalten wir den Unterricht endlich gemäß des 21. Jahrhunderts!

Anja Klotzbücher, Beraterin des LandesSchülerRates Sachsens

Die Texte geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder und nicht die des LandesSchülerRates Sachsens.