Es ist Zeit zu verändern, nicht allein, sondern zusammen mit uns!

Ich komme in eine Schule und sehe verschiedenste Dinge: Plakate mit unheimlich interessanten Inhalten, Bilder, die unheimlich kreativ gestaltet sind und Aushänge von genialen Aktionen und Schülergruppen, die etwas bewegen wollen. Es ist unheimlich schön zu sehen, wie sich das Potential, das viele Schülerinnen und Schüler haben, festhalten und ihre Kreativität sich ausleben lässt. Jedoch sehe ich, wenn ich eine Schule komme, auch ganz anderes: sehe Papierwirrwarr, Arbeiten mit schlechten Noten darauf und ein Streitgespräch zwischen einer Lehrerin und einigen Schülern. Ich sehe Augenringe und höre einen Schüler sagen: „Ich hasse Schule, das geht mir alles auf den Sack!“ und leider habe ich das bis jetzt nicht nur einen – sondern viel zu viele Schülerinnen und Schüler sagen hören und das regt mich zum Nachdenken an.

Bildungspolitik, Kultusministerin und Abgeordnete im Landtag, Schüler- und Elternräte, auf jeden Fall schon mal schön, dass sich Leute um unsere Bildung und um den Alltag in der Schule Gedanken machen. Leider jedoch viel zu selten um grundlegende Dinge, die Bedürfnisse der Schüler und wie die Effektivität der Schule gesteigert werden kann, wie Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer LUST bekommen, jeden Tag in die Schule zu gehen und dort Kompetenzen und Werte zu erwerben.

Das Problem sehe ich in verschiedensten Dingen, zum einen ist es gar nicht möglich, auf alle Wünsche einzugehen, das ist es nie. Jedoch von viel größerer Bedeutung ist, dass meiner Meinung nach niemand von den Menschen, die den dazu nötigen Einfluss haben, mehr LUST hat, etwas an Schule zu verändern. Schule wurde schon so oft verändert. Lehrpläne, Schulgesetz, Fachkonferenzen, Leistungsdruck, graue Klassenzimmer und Frontalunterricht bestimmen Schule heute und nicht die Wünsche, die wir als Schülerinnen und Schüler haben, nicht die Überlegungen, wie man anstatt teilweise unnützem Wissen – vermittelt, wie man in einem Team arbeitet, Vorträge hält oder mit Konfliktsituationen umgeht. Der Alltag beweist es leider viel zu oft: Abiturientinnen und Abiturienten mit einem Schnitt von Note 1 sollen ihren weiteren Lebensweg selbst beschreiten und sind in bestimmten Situationen des täglichen Lebens vollkommen aufgeschmissen. Nach dem Motto „Es läuft doch, wir haben gute Abschlüsse und unsere Schülerinnen und Schüler haben nach ihrem Abschluss eine gute Allgemeinbildung“ lassen Politiker und unsere Kultusministerin sächsische Schule einfach weiter vor sich hin vegetieren. Leider erkennen auch viel zu wenige, welch eine Energieverschwendung die Schule heutzutage ist, denn neben den sieben oder acht Stunden, die man, um gut zu sein, aktiv zuhören muss gibt es als unverkennbar beliebte Nachmittagsgestaltung die Hausaufgaben und das Lernen für Tests und Arbeiten und wenn man die Zeit in der Schule nicht „effektiv nutzt“, wie es viele Lehrkörper gern ausdrücken, muss man Zuhause nacharbeiten. Aber kann man wirklich sieben oder acht Stunden aktiv zuhören? Will man das? Und ist das das Ziel der Schule? Meiner Meinung nach nicht, aber mit Frontalunterricht und diesem Bulimie – Lernen ist man der Meinung, eine ausreichende Allgemeinbildung zu gewährleisten. Leider auch falsch, liebe Frau Kultusministerin, denn deshalb nennt man es „Bulimie – Lernen“: man frisst das ganze Wissen in sich hinein und kotzt es in einer Arbeit wieder raus, leider bleibt nur sehr selten etwas drinnen, aber natürlich hat man alles schon mal gewusst, ist doch prima ausreichend!

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Bewertung. Mir ist bewusst, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben und man meint, Menschen mit einem gewissen Mittel vergleichen zu müssen. Aber wirklich mit Noten von 1 bis 6? Schon in der dritten Klasse, wenn Kinder acht oder neun Jahre alt sind, wird ihnen vermittelt, dass es Unterschiede in ihrer Klasse gibt, nach dem Motto „Die Kinder, die immer Einsen haben sind gut und die mit den vielen Dreien und Vieren, die sind schlecht!“ ist das wirklich, was ein neunjähriges Kind lernen sollte? Ist es das, was ein Mensch überhaupt lernen sollte? Da bleibt „Alle Menschen sind gleich“ doch vollkommen auf der Strecke und dann rede mir noch einer von gegenseitiger Achtung oder Toleranz!

Es kann doch sein, dass eine Schülerin oder ein Schüler selbst mit einer Fünf in Mathematik und Physik unheimlich intelligent ist, gut mit Menschen umgehen kann und z. B. ein Talent für Sprachen hat, wen kümmert es dann, wenn sie sich später auf Sprachen spezialisiert und mit Menschen zusammenarbeiten will, welche Note sie in Physik hatte? Wenn man es irgendwann hinbekommt, Schule so zu gestalten, dass sie praxisnäher wird, z. B. mit mehr Praktika als im Gymnasium einmal zwei Wochen und auch im Unterricht praxisorientierter arbeitet, wegkommt vom Frontalunterricht, die Schülerinnen und Schüler selbst entdecken, erfahren und erkennen lässt und somit sowohl Persönlichkeit als auch die Eigenständigkeit fördert, sollte man Lehrpläne und Noten in der aktuellen Form über den Haufen werfen. Ein sogenanntes Kompetenzheft sollte an die Stelle des Lehrplans rücken. Daran sind nicht die Fakten enthalten, die gelehrt werden sollen, wie es momentan bei Lehrplänen ist, sondern in diesem Kompetenzheft sind eben Kompetenzen aufgelistet, zu denen die Schülerinnen und Schüler im Schuljahr kommen sollen, außerdem mögliche Vorschläge von zu behandelnden Themen. Damit nimmt man sowohl Schülerinnen und Schülern als auch den Lehrkräften den Druck, möglichst viel Stoff in kürzester Zeit zu lehren, denn man fordert und fördert die Kreativität beider Parteien, was man den so veranstalten könnte, damit Wissen UND Werte erlernt und kommt weg vom einseitigen Frontalunterricht.

Und genau dann ist es auch nicht mehr notwendig, Jugendliche mit Ziffern von 1 bis 6 zu bewerten, sondern man könnte in Textform festhalten, wie er oder sie auf der einen Seite mit den geforderten Inhalten zurecht kommt und sich auf der anderen Seite im Team „Klasse“ gibt, wie ausgeprägt seine oder ihre soziale Kompetenz ist und was man ihm oder ihr als gute Ratschläge mit auf den Weg gibt.

Schule soll Spaß machen und das ist momentan nicht der Fall, es wäre sicher erschreckend, wie viele Schüler man noch in seiner Schule sehen würde, wenn die Schulpflicht abgeschafft würde. Deshalb sollte es unser gemeinsames Ziel sein zu erreichen, dass selbst ohne Schulpflicht genau so viele Schülerinnen und Schüler gern in die Schule gehen würden wie jetzt ungern und mit Schulpflicht!

Mit effektiveren und selektiven Inhalten, Werten und Kompetenzen, Worten anstatt Zahlen als Noten und Freiheit anstatt Zwang könnte man das erreichen. Unterschätzt man jedoch das Potential und die Wissbegierde, die viele Schüler haben, und erkennt nicht, dass diese vom aktuellen System „Schule“ unterdrückt wird, ist man als führender Politiker, führende Politikerin oder Kultusministerin sicher im falschen Amt.

Es ist Zeit zu verändern, nicht allein, sondern zusammen mit uns!

Jason Jack Weißbach, Bundesdelegierter des Landesschülerrates Sachsen

Die Texte geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder und nicht die des LandesSchülerRates Sachsens.