Was an diesem Tag passierte hat uns wohl alle überrascht. Die Zahl der teilnehmenden Schulen, der teilnehmenden Schüler und die mediale Aufmerksamkeit. Aber der Reihe nach: Es erscheint zunächst unlogisch, dass Schüler protestieren, wenn Unterricht ausfällt. In Sachsen ist es aber kein normaler Unterrichtsausfall mehr. Systematisch fallen Stunden oder ganze Fächer aus, weil keine Lehrer mehr verfügbar sind.
Bündnis bereits vor dem Aktionstag formiert
In den letzten Wochen formierte sich dagegen ein breites Bündnis aus den Schüler- und Elternräten und den sächsischen Lehrergewerkschaften, um gegen den Lehrkräftemangel an Sachsens Schulen zu protestieren. Gemeinsam wurde ein Forderungskatalog erarbeitet, der am 28. März in der Öffentlichkeit verbreitet wurde. Ziel das Aktionstages war es, der Gesellschaft anhand der einzelnen Schulen zu zeigen, wie groß der Lehrkräftemangel jetzt schon ist und wie er sich ausweiten wird, wenn nicht endlich gegengesteuert wird.
Die Aktion nahm ihren Anfang am 4. Januar in Chemnitz. Dort demonstrierten schon rund 2500 Schülerinnen und Schüler mit Schülervollversammlungen gegen den Lehrermangel. In den Tagen nach den Neuwahlen des LSR kursierten erste Ideen für eine gemeinsame Aktion des Landesschülerrates Sachsen (LSR) und einiger Kreis- bzw. Stadtschülerräte (SSR). Bei der ersten Landesvorstandssitzung wurde dann vereinbart, einen gemeinsamen Aktionstag zu organisieren. Wir wollten den Tag auch als Zeichen für die Staatsregierung nehmen, dass die Bildung im nächsten Doppelhaushalts 2013/14 mehr Geld bekommen muss. Deswegen wählten wir einen Termin Ende März, da bereits im Sommer die Eckpunkte des Haushaltes festgelegt werden.
In den nächsten Wochen planten die einzelnen Städte ihre Aktionen in lokalen Aktionsbündnissen und wir als LSR koordinierten die sachsenweiten Aktionen. Wir entschieden uns für das Prinzip der Schülervollversammlungen, weil wir der Öffentlichkeit anhand der speziellen Schulen, die Probleme des Lehrermangels zeigen wollten.
Am 20. März sollten wir unser Vorstellungsgespräch bei Herrn Prof. Dr. Wöller haben. Bei diesem Gespräch wollten wir unseren Forderungskatalog präsentieren und ihm den Ablauf des Aktionstages vorstellen. Noch vor dem Mittag bekam unser Vorsitzender, Konrad Degen, ein Anruf aus dem Ministerbüro mit der Absage des Gesprächs aufgrund von unaufschiebbaren Terminen. Wir gingen an diesem Tag trotzdem ins Ministerium um uns bei unserem zuständigen Referatsleiter vorzustellen. Noch während wir dort saßen bekamen wir eine SMS mit der Nachricht, dass der Kultusminister zurückgetreten ist. PANIK! Können wir unseren Aktionstag trotzdem durchziehen? Wird die ganze Aufmerksamkeit nun auf die Suche nach einem Nachfolger fallen? Welchen Kurs wird der oder die Neue einschlagen?
Nachdem die neue Kultusministerin gefunden war, wurden die Zeitungsberichte immer größer und unsere Vorfreude auch. Es lief wie am Schnürchen und auf einmal war der Tag gekommen: zum ersten Mal in der Geschichte des LandesSchülerRates Sachsen und wohl auch in der jüngeren Historie des Freistaates schickten sich Schülervertreterinnen und –Vertreter an, die größte bis heute je organisierte Großaktion zu umzusetzen. Aber warum tut man sich diesen Stress, diese stundenlange Vorbereitung und diesen Aufwand an?
Bis 2020 werden laut Analysepapier des Kultusministeriums 82 Prozent der jetzt unter Vertrag stehenden Lehrerinnen und Lehrern in den Ruhestand gehen. 82 Prozent, die nicht adäquat ersetzt werden. Mehr noch, der Freistaat plant sogar 2 000 Lehrkräftestellen weniger ein, obwohl die Zahl der Schüler um 15 000 Schüler bis 2020 steigen wird. Das führt unaufhaltsam zu Unterrichtsausfall und zwar so massiv, dass unsere Abschlüsse stark gefährdet sind.
Das lassen wir uns nicht gefallen und mit uns waren über 20 000 Schüler unterwegs: sie begruben die fatale Bildungspolitik, verteilten Rote Karten für die Bildungspolitik oder stellten mit 900 Schüler das Wort Bildung! nach und setzten so ein Zeichen.
In Leipzig nahmen über 11 000 Schülerinnen und Schüler teil. Im Kreis Bautzen haben sich mehr als 6 500 beteiligt und in Dresden waren es immerhin 3500. An den Nachmittagsdemonstrationen in Chemnitz und Dresden beteiligten sich dann nochmal mehr als 1 500 Schülerinnen und Schüler.